Mahlgang [1]

[282] Mahlgang, Zerkleinerungsmaschine, aus zwei flachen, kreisrunden, aufeinander liegenden Steinscheiben (s. Mühlsteine) bestehend, von denen entweder die obere (Oberstein) oder die untere (Bodenstein) sich mit einer senkrecht zur Steinfläche stehenden Achse (Mühleisen, Mühlspindel) dreht. Die erstgenannte Gattung heißt oberläufige Mahlgänge, die letzte unterläufige (Oberläufer, Unterläufer). Für Getreidemüllerei werden heute meistens Oberläufer benutzt.[282]

Oberläufer. Der stilliegende Bodenstein wird bei einfacheren Mahlgängen auf den Fußboden eines Mühlenstockwerkes oder auf den eines besonders hiefür errichteten Gerüstes (Mahlganggebiet) in Mörtel gelegt und mit einem niedrigen Holzring (Schling), der die Lage des Steines sichert, umgeben. Statt dessen kann man auch eine eiserne Steinschale anordnen, in der die richtige Einstellung des Steines mittels Schrauben erfolgt. In einer zentralen, oben abgedeckten Oeffnung (Auge) des Steines sitzt ein Halslager (Büchse, Mühlsteinbüchse), das zur Führung des senkrechten Mühleisens dient. Dieses tritt, den Fußboden von unten durchdringend, durch die obere Abdeckung des Auges hindurch und trägt auf seiner Spitze mittels einer geeigneten eisernen Tragvorrichtung (s. Haue) den zweiten, beweglichen Mühlstein, den Läufer. Auch dieser obere Stein besitzt ein Auge, das zur Einführung des Mahlgutes dient und das von der Haue brückenartig überspannt wird. Die Steine sind mit einem meist zylindrischen, oben abgedeckten Holzgehäuse (Bütte oder Zarge) umgeben, das in der Mitte der Oberfläche eine kreisrunde Oeffnung für die Mahlguteinführung enthält. Die Mahlgutableitung geschieht durch eine neben dem Bodenstein befindliche Oeffnung im Fußboden oder am unteren Rande der Bütte. Die Größe der Last erfordert eine besondere Abstützung des Steinbeiles durch Unterzüge und Ständer oder Säulen. Das untere Ende des Mühleisens ruht in einem Spurlager, das seinen Platz auf einer zwischen den ebengenannten Ständern oder Säulen gespannten Traverse findet. Zwecks Veränderung des Abstandes der Steine voneinander ist dieses Spurlager in seiner Höhenlage verstellbar eingerichtet (Steinstellung, Lichtezeug). – Der Antrieb des Mühleisens erfolgt zwischen dem Spurlager und der Büchse durch Stirnräder, Kegelräder oder Riemenscheiben (mittels offenen oder gekreuzten Riemens von senkrechter, mittels halbgeschränkten Riemens von wagerechter Welle aus). Die Mahlgutzuführung geschieht vom zuleitenden Trichter aus entweder mittels einer schrägen, durch einen Drei- oder Vierschlag gerüttelten Gleitfläche (Rüttelschuh), die das Gut in das Läuferauge einschüttet, oder durch ein in das Steinauge hineinreichendes Zuführungsrohr und einen unter seiner Mündung kreisenden, auf einer Verlängerung des Mühleisens sitzenden und mit ihm umlaufenden Streuteller (Zentrifugalaufschütter), der für die gute Verteilung im Steinauge sorgt. Der Abstand der Rohrmündung von dem Streuteller kann durch Verstellung des Rohres im senkrechten Sinne mittels eines Handrades verändert werden. – Moderne Mahlgänge sind meist als ein Ganzes so angeordnet, daß sie, ohne auf die Tragkonstruktion des Gebäudes oder eines Gebäudeteils angewiesen zu sein, eine in sich zusammenhängende Einheit bilden. In Fig. 1 tragen zwei eiserne Säulen eine gußeiserne Steinschale, die den Bodenstein U aufnimmt und in der seine Lage durch Stellschrauben geregelt werden kann. Im übrigen finden sich die vorstehend angedeuteten Teile hier wieder: der Oberstein (Läufer) O, die Haue H mit darüber befindlichem Streuteller, die Bütte Z, die Büchse B, das Mühleisen M, die Kegelräder R und R' mit einer Ausrückvorrichtung, welche gestattet, durch Drehung eines Handrades r das kleine Kegelrad R' so zu verschieben, daß es außer Eingriff mit R kommt, der Mahlgang also stillsteht; ferner die Steinstellung L S, deren Einwirkung auf die Höhenlage des Spurlagers ohne weiteres klar wird.[283]

Unterläufer. Als Beispiel diene die Konstruktion Uhlhorns: der sich drehende Bodenstein ist in einer auf dem Mühleisen beteiligten Eisenschale S (Fig. 2) gelagert. Die Halslagerung des Mühleisens liegt oberhalb der Mühlsteine bei l; das Mahlgut fällt durch den freibleibenden Ringraum mit Hilfe des Streutellers t ein. Antrieb mittels Los- und Festscheibe, Ausrückung durch eine mittels Handrades schief zu Heilende senkrechte Leitrolle. Steinstellung durch Hebung und Senkung der Spur mittels verschiebbarer Spindel und drehbarer Mutter. Der ganze Mahlgang ist in ein gußeisernes Gehäuse eingeschlossen. Anwendung mehr für Zement- und Mineralienmüllerei.

Die Aufteilung einer größeren Zahl von Mahlgängen findet entweder in Reihen statt (bei Antrieb mit Riemen oder Kegelrädern) oder in Gruppen von der Grundrißform eines Vielecks (Vier- bis Sechseck). Im letzten Falle trägt eine mittlere stehende Welle (Königswelle) ein großes Stirnrad und treibt mit diesem die kleineren, auf den gleichmäßig verteilten vier bis sechs Mühleisen sitzenden Stirnräder. Ueber Mahlgänge mit Aspiration (oder Ventilation) s. Aspiration. – Steindurchmesser: 1–1,5 m. Umlaufzahl 110–200 in der Minute (Umfangsgeschwindigkeit des Läufers etwa 8–10 m). Kraftbedarf: für den Mahlgang einschließlich Hilfsmaschinen 10–12 PS. bei 30–37 hl täglicher Leistung bei Hochmüllerei und 6–8 PS. bei Flachmüllerei (nach Kick).


Literatur: Kick, Fr., Die Mehlfabrikation, 3. Aufl., Leipzig 1894.

Arndt.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 282-284.
Lizenz:
Faksimiles:
282 | 283 | 284
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Ledwina

Ledwina

Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.

48 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon